Lago Puelo & El Bolsón - Urlaub vom Urlaub
von Talja
4. November - 13. November 2022
So sitzen wir also am Busbahnhof und sind kurz davor, den 28-stündigen Bus nach El Calafate in die Nähe des berühmten Perito-Moreno-Gletschers zu buchen. Doch wir sind müde. Müde von langen Busfahrten und den zwei letzten erlebnisreichen Wochen. Achtundzwanzig Stunden in eine Richtung würde auch 28 Stunden für den Rückweg bedeuten. Stattdessen könnten wir gerade etwas Urlaub vom Urlaub gebrauchen. Statt für das berühmte El Calafate entscheiden wir uns für ein Dörfchen in zweistündiger Distanz und atmen erleichtert auf. Der Perito-Moreno hat schließlich auch ohne uns genug Besucher. Und wir? Wir schauen eine ARTE-Doku mehr an.
Da wär ma' auch schon. Die Region rund um die Bergsteigerstadt El Bolsón eröffnet viele Möglichkeiten für Aktiv- und Erholungsurlaub. Wir fahren ein Stück ins nordwestlich gelegene Kaff Lago Puelo. Das Dorf zählt stolze 3000 Einwohner und ist nach dem ein paar Kilometer entfernten, gleichnamigen See benannt.
Unser Hostel heißt nicht umsonst El Hostel Secreto. Wir müssen das Dorf durchqueren und auf Kieswegen wandernd das Gebell der Wächterbestien überstehen, die praktisch jeden Haushalt bewachen.
Der Anblick des idyllisch gelegenen Hostels lohnt den Weg in jedem Fall. Ein bisschen erinnert es uns an eine gotische Kirche, die von herrlicher frühlingshaft blühender Landschaft eingesäumt wird.
Unser Zimmer hat Platz für sechs - ein Doppelbett plus zwei Etagenbetten. Da wir es für uns allein haben dürfen, fallen die Doppelstockbetten sofort unseren Klamotten zum Opfer. Auch Einkäufe lassen sich hier wunderbar übersichtlich auslegen. Für ein Dorf verfügt Lago Puelo über ein bemerkenswertes Angebot. Wir frühstücken in einem hübschen Café und werden im Supermarkt, Obst- und Gemüseladen, Ökoladen und Buchladen fündig.
Max hat sich ja letztens zu so einem Lauf angemeldet. Eine Trainingseinheit führt ihn zum hübschen Lago-Puelo-See und wird mit diesem Ausblick belohnt.
Um ehrlich zu sein, kann ich über diese Tage nicht viel Spannendes berichten. Wir entspannen am Fluss, der einen Steinwurf entfernt fließt. Wir lesen und rätseln, kochen und telefonieren, sonnen uns und gehen ein bisschen wandern. Urlaub eben. Und egal wo wir sind, überall blüht der gelbe Stechginster. Mit dem klaren blauen Wasser und dem satten Grün der Landschaft gibt er ein herrliches Farbspiel ab, sein Duft erinnert mich jedoch leider an Friedhofsblumen.
An die Botanikerinnen Bärbel, Gunda und Marianna: Kennt ihr diesen Strauch mit fliederfarbenen Glockenblüten? Wir lernen dieser Tage das Nationalgetränk des argentinischen Cordoba kennen: Fernet Branca. Jeden Abend sehen wir ein Pärchen aus Cordoba damit umherspazieren. Die Frau fragt mich, ob ich es kenne. Da wo sie herkommen, würde das jeder trinken. Ne, kenne ich nicht, meine ich. Bin ja bekanntlich keine Weinke(ll)nnerin. Den nächsten Abend stellt uns ihr Freund ein Glas zum Probieren hin. Mit Cola, meint er. Wenns zu stark sei, gieße er nach. Wein mit Cola ist aber eine sehr ungewöhnliche Kombination, denken wir und probieren. Bäh, ist das bitter und stark. Scheinbar doch kein Wein. Das gute Gesöff stellt sich als italienischer Bitter heraus, ein Kräuterlikör. Wir bedanken uns tapfer lächelnd und ich trinke wegen Lebensmittelverschwendung und so zwei Drittel aus, bevor das letzte Drittel in den Abfluss wandert.
Die paar Kilometer zum Lago Puelo fahren wir bei einem netten Pärchen per Anhalter. So richtig entspannte Tramper werden aus uns wohl nie. Es ist jedes Mal eine riesige, kribbelige Überwindung den Daumen herauszuhalten. Zum Glück klappt es recht schnell und wir machen Bekanntschaft mit ein paar quicklebendigen Tieren. Zum Beispiel diesem Schwarzzügelibis, der hier ungefähr so häufig anzutreffen ist wie Enten oder Tauben bei uns zu Lande.
Wir passieren eine lustige Kuhtruppe, die gerade ein erfrischendes Bad nimmt.
Und eine Gruppe von Männern, die zum Wochenende fröhlich ein ganzes Schwein auf den Grill geworfen hat. Überhaupt wird hier an jeder Ecke gegrillt. Die Argentinier sind schließlich leidenschaftliche Griller und zelebrieren ihr asado gern in aller Ruhe.
Wir erklimmen einen Hügel und genießen...
...diesen Seeblick. Eine Oma räkelt sich mutig über dem Abgrund, während ihr Mann Fotos von ihr schießt. Ich bin froh, nicht Zeugin eines dieser sagenumwobenen "Touristin, die zu nah an der Klippe ein Foto macht und herunterstürzt"-Unfalls werden zu müssen.
Wieder zurück in der Unterkunft mache ich mehr oder minder motiviert meine Knieübungen. Der Hostelhund ist auch von der Partie.
Nach 4 Tagen am Lago Puelo wird es uns hier doch etwas zu eintönig und wir beschließen, weiterzuziehen.
Weit kommen wir nicht und landen im 15 Kilometer entfernten El Bolsón. Das anvisierte Hostel ist ganz schön düster, zum Glück haben wir nicht gebucht. Das nächste ist eine Baustelle. Zufällig sehen wir, dass in der Nähe cabañas (Bungalows) vermietet werden. Die sind teurer als geplant, immerhin lässt die Besitzerin aber etwas mit sich handeln. Wir freuen uns wie Honigkuchenpferde über unser Zuhause für die nächsten fünf Nächte.
El Bolsón ist eine Kleinstadt mit ca. 20.000 Einwohnern und wird malerisch von Bergmassiven eingebettet.
Auf dem Wallach Timo lernt Max das Reiten kennen und lieben. Spaß beiseite. Wir passieren das Pferd auf einer Wanderung.
Der Río Azul (blauer Fluss) macht seinem Namen alle Ehren. Türkisblau schimmert er uns entgegen.
Ich frage Max, ob er von einer Landschaft auch mal so richtig begeistert ist, weil eher ich beim Anblick "ah" und "oh" mache. Nicht so sehr wie von einem guten Fußballspiel meint er. Ich muss lachen. Nett hier findet er's ja trotzdem.
Wir erwandern den Cabeza del Indio, einen Felsen, der den Namen Kopf eines Indianers trägt. Wer sieht ihn?
Würde euch auffallen, dass Max sich hier einen Schnauzer rasiert hat? Er ist empört, dass ich es zwei Stunden lang nicht bemerke. Ein bisschen zufällige Solidarität im Movember, in dem sich auch ganz andere einen Bart stehen lassen. Dann kommt er wieder ab.
Wir beschließen unseren Urlaub mit einem Ausflug zum Lago Epuyen. Ein wunderschöner See. Ein bisschen gruselig ist nur, dass er heute wie ausgestorben wirkt und eine Weile keine Menschenseele zu sehen ist. Wir drehen dafür selbst ein bisschen am Rad.
Dann wars das mit der Erholung. Vor einer Woche hat uns die Mama einer fünfköpfigen Familie geschrieben und gefragt, ob wir Lust haben, ihnen zu helfen. Das passt uns gut in den Kram. Wir wollten sowieso noch Freiwilligenarbeit machen und haben uns nicht so richtig gekümmert. Wir treten den Weg gen Norden an, in Gegenden, die uns bekannt vorkommen. Die kommenden zwei Wochen werden wir in einem Dorf mitten im Nirgendwo verbringen. Mit drei Kindern und zwei Vierbeinern umgeben von Sonne, Staub und Erde.