Ilhabela - Schön im Regen
von Max
14. September - 18. September 2022
24 Stunden. 24 Stunden sind angeschlagen für unseren Weg von Corumbá nach São Paulo. 8 Stunden Schlaf abgezogen, ist das viel zu wenig Zeit, um alles zu lesen, was wir lesen wöllten, alles zu hören, was wir hören wöllten, alles anzuschauen ... Pantanal verabschiedet uns mit zwei kleinen Teichen entlang der Straße, wie ich aus dem Busfenster beobachte. Ich hätte das Wasser nicht länger beschaut, wenn nicht jeweils circa 20 Krokodile am Teichufer gelegen hätten.
Beim Busstopp sucht Talja nach neuen Kandidaten zum Kuscheln ...
... und findet dann jemanden außerordentlich geeigneten am Flughafen von São Paulo: Vanni, unser erster Gast!
Wir sind jetzt bald ein halbes Jahr in Lateinamerika; Vanni muss sich erstmal an die rabiate Art der Straßenüberquerung gewöhnen.
Wir haben ein trauriges Hostel in einem traurigen Stadtteil von São Paulo. Doch wir bekommen ein "Gemälde" geschenkt ...
... aber ich freue mich mehr über die Bücher, die ich von Talja und Vanni zum Geburtstag bekomme.
Aber eigentlich ist dieser Artikel ja mit "Ilhabela" überschrieben. Wir machen uns also sogleich auf den Weg, hier mal mit einem seltenen Bild von uns mit unserer normalen Tragelast (solche Bilder gibt's nur dank Vanni). Im Hintergrund die Vorzeichen des Inselwetters.
Die Fähre von São Sebastião zur Insel ist schnell und gratis.
Das Hostel, in das wir einziehen, ist voll mit Kunst guten Geschmacks und überhaupt deutlich einladender als das letzte. Wie auch schon das Titelbild suggeriert, hat die Ilhabela (schöne Insel) besonders große Fauna zu bieten.
Nämlich die hier. Vom Südlichen Ozean an der Antarktis schwimmen die Wale (Blauwale, Buckelwale, Orca, ...) jedes Jahr bis in die Höhe des Nordostens Brasiliens. Zu einer Zeit des Jahres, die nicht die aktuelle ist, kann man dann allerlei Wale beobachten, die an der Ilhabela vorüberziehen.
Die Ilhabela ist eine Insel, an der Robinson Crusoe seine helle Freude gehabt hätte. Es gibt üppige Vegetation, zahlreiche Wasserfälle als Süßwasserquellen und viele Vögel. Was den alten Robinson aber vermutlich am meisten erheitert hätte, ist, dass die Insel zur zwei Kilometer vom Festland entfernt ist.
Was die Bilder nicht verheimlichen können: Es regnet, als wir ankommen. Es regnet auch noch den Tag darauf, und den nächsten Tag auch nochmal. So eine Schaukel hilft, die Laune oben zu halten.
Es hat ja in Peru und Bolivien kein einziges Mal geregnet, ein bisschen freuen wir uns auch über das Wiedersehen.
Nur müssen wir drei noch etwas auf den erwarteten Strandurlaub warten.
Wir sind also auch einige Zeit im Hostel und haben Zeit, seit Ewigkeiten mal wieder einen Film (über Wale und Nantucket, der US-Insel, von der Vanni gerade zu uns kam) zu schauen. Hier Vanni mit cuy, der bei dem Wetter sicher nicht nach draußen darf. Vanni hat die heilige Aufgabe, cuy wohlbehalten nach Allemanien zu verschiffen, wo er dann bis zur Rückkehr von Herrchen seinen trockenen Winterschlaf halten wird.
Bei dem ganzen Regen müssen wir uns immerhin keinerlei Sorgen machen, dass die Wasserfälle trockenfallen könnten.
Raus muss man ja trotzdem. Wer braucht schon langweilige Strandspaziergänge im Abendrot, wenn man auch köstliche Wasser-Abenteuer-Strandspaziergänge mit kribbeligem Spannungsbogen haben kann (werden beide oder nur ein Schuh nass?).
Bei weiteren Erkundungen im kleinen kolonialen Stadtzentrum der Insel stellen wir fest, dass die Kirche hier von Metal Jesus bewacht wird.
Brasilien, Insel, Strand, Regen -> Caipirinha.
Und dann kommt der Tag, an dem ich mich von den beiden Mädels verabschiede, um einen Tag in und um unser Hostel herum zu verbringen. Sie lediglich machen eine Tagestour mit Jeep, Wasserfällen, Ostinselküste und Bootstour. Zeitlich eine gute Wahl, denn heute ist es dann endlich sonnig.
Waren sie also schön auf Tour. Ich kann leider nichts dazu sagen, ich war nicht dabei.
Oh ja, an diesen Moment, wo sie dieses schöne Bild am Strand schießen lassen, erinnere ich mich überhaupt nicht.
Auch hier war ich nicht dabei, als sie zum Abschluss der Tour mit einem Boot, inklusive Zwischenstopps an den brilliantesten Stränden des Eilands, um die halbe Insel zurück zum Stadthafen fahren.
Und ich? Ich zelebriere währenddessen das leichte Leben meines freien Tags, verfalle Miguel de Cervantes und versuche die gewaltigen Berge gegen sein gewaltiges Werk abzuschätzen. Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quijote von la Mancha ist ein supermassives Schwarzes Loch im Universum der Belletristik. Der wahrscheinlich erste Roman und auch nach 417 Jahren wohl immer noch einer der Besten. "Eines der grandiosesten und zugleich entzückendsten Bücher aller Zeiten.", sagte Hesse; "Es gibt in der Welt nichts Tieferes und Stärkeres als diese Dichtung. Es ist bisher das letzte und größte Wort des menschlichen Gedankens, es ist die bitterste Ironie, die ein Mensch auszudrücken vermochte.", sprach Dostojewskij; "Soviel Schmarrn traut sich heute keiner mehr, zusammenzuschreiben. Müsste erstmal jemand können!", sage ich.
Alles, was ich sehe und höre, als ich aus meiner gemütlichen Lesemeditation auf der Dachterrasse unseres Hostels gerissen werde, sind die beiden Lockis, nachdem sie sich durchgefroren von ihrem Boot bis ins Hostel geschleppt haben. Ja, es wird hier immer ab 6 dunkel, aber schon ab 4 kalt. Die Verpackung, die sie auf dem Boot nicht dabei hatten, wird jetzt nachträglich angelegt.
Unsere kulinarischen Abenteuer auf der Insel: die perfektesten Nudeln in Muschelform mit Käse-Tomaten-Füllung aus Garten Eden, bei denen wir wohl ausversehen die Rentnerportion bestellt haben müssen, so wenig, wie wir davon kriegen. Dann das erste Mal Subway seit Mexiko oder Kolumbien. Als Dessert mal Crêpes und mal Schokomousse. Und hier auf dem Bild gab es einen ganz normaleren Fisch mit Reis und Bohnen, mit Cocktails, die bei meinen Zeitgenossen am Tisch gut anschlagen. So viel gute Laune wie die beiden bringe ich in dem Straßenimbiss nicht auf. Aber faszinierend, wie diese Limettensonne angefertigt wurde.
Das können wir nicht bezeugen, aber vielleicht hat unsere Bank auch nur was durcheinandergebracht.