Nasca - Perus Werk und Dresdens Beitrag
von Max
20. Juli - 22. Juli 2022
Achtung, es geht weiter mit viel Wüste. Ein bisschen grobkörniger und dunkler als in den Tagen zuvor, dafür mit mehr Historie.
Wir besuchen die mittlerweile enorm berühmten Nasca-Linien. Was hier in den Wüstenboden gezeichnet ist, sind in erster Linie tatsächlich - Linien. In wesentlich geringerer Anzahl garniert mit Scharrbildern von Tieren, Pflanzen und abstrakten Figuren. Und die Figuren sind natürlich das, was hängenbleibt - auf T-Shirts, Taschen, als Gestaltungsmittel in der Stadt und auf den peruanischen 2- und 5-Sol-Münzen.
Schon seit Lima wurden uns Angebote nahegelegt, per Kleinflugzeug einen Rundflug über die Linien zu absolvieren ("weil man die Linien vom Boden praktisch nicht erkennen kann"). Es sind aber mittlerweile schon so viele Menschen bei Abstürzen umgekommen, dass wir uns guten und sparsamen Gewissens für die terrestriale Besichtigung entscheiden. Und man muss auch nicht ganz unten stehen. Hier die Linien von einem Hügel aus gesehen.
Auf einer Seite dieses Hügels befindet sich diese Katze. Erst vor wenigen Jahren haben japanische Wissenschaftler dieses Bild mittels Satellitenbildern und Bodenuntersuchungen entdeckt und dann freigelegt. Wir hoffen, sie haben sich da keinen Spaß erlaubt, es sieht aus wie aus einem Grundschul-Zeichenheft. Generell, bei allem Respekt für die riesigen Bildkonstruktionen - ihre besten Künstler hat die antike Nasca-Kultur (0 - 600 n.B.d.Z) nicht rangelassen.
Und um dir, lieber Leser, endlich die Wie-Frage zu beantworten: Die Linien wurden tatsächlich auf die denkbar simpelste Art angelegt: Die großen dunklen Steine der Wüstenoberfläche wurden zur Seite gelegt, sodass der helle Sand darunter und so die Konturen der Objekte zum Vorschein kommen. Das heißt, das die Figuren tatsächlich nur 5 bis 10 Zentimeter "tief" sind. Aber verliert sich das nicht nach einiger Zeit? Nein. Es gibt hier fast keine Niederschläge. Ab und zu kommen schwache Winde vor, die die Figuren aber eher säubern, weil sie nur den Sand umherpusten, aber nicht stark genug sind, um die Steine zu bewegen.
Es gibt also nur einen Faktor, der die Linien und Bilder zerstören könnte. Genau, homo sapiens. Was mich bisher an den Nasca-Linien immer am meisten fasziniert hatte, war, wie um alles in der Welt es sein kann, dass die Panamericana einmal quer durch eine Figur gebaut wurde. Hier durch die lagartija, die Echse.
Neben der Nasca-Kultur hat sich schon um einiges eher die antike Paracas-Kultur (800 - 200 v.B.d.Z) an Zeichnungen in Stein und Sand versucht. Mit dem Unterschied, dass sie mit Vorliebe an Berghängen aktiv waren (wie z.B. bei der Katze), während das Nasca-Volk auf dem Boden geblieben ist, aber wesentlich raumgreifender unterwegs war. Das hier übrigens zeigt eine fürstliche Familie der Paracas.
Am Ende unserer Rundfahrt durch die Wüste besuchen wir noch das Maria-Reiche-Museum. Maria Reiche lebte nach ihrer Geburt in Dresden fast jedes Jahr des 20. Jahrhunderts und davon den größten Teil in diesem Häuschen am Rande der Wüste. Nach der Entdeckung der Nasca-Linien 1924 bei einem Überflug durch einen amerikanischen Wissenschaftler war es die TU-Dresden-Absolventin (Mathe, Physik, Geographie) Maria Reiche, die ab den 40er-Jahren den Rest ihres Lebens der Erforschung, Säuberung und Bekanntmachung der Linien widmete.
Während wir als Dresdner erst hier zum ersten Mal von Maria Reiche gehört haben, wird sie in Peru wie eine Nationalheilige verehrt. Jahrelang hat sie das 150 Quadratkilometer (!) große Areal abgelaufen (später dann mit dem VW-Bus hier links), kartographiert und sich für ihren Schutz eingesetzt. So wurden die Nasca-Linien 1994 dank ihr Teil des UNESCO-Weltkulturerbes und stehen unter besonderem Schutz (bis auf die Panamericana, die mitten durch geht, aber die wurde eventuell schon vor der Entdeckung gebaut). Maria Reiche erhielt das Deutsche Verdienstkreuz Erster Klasse sowie 5 Ehrendoktorwürden. In Dresden ist eine Straße nach ihr benannt. Die TU Dresden hat 2011 das Maria-Reiche-Programm eingerichtet, um Nachwuchswissenschaftlerinnen zu fördern. Kürzlich wurde ein Asteroid nach ihr benannt. Und was hat sie herausgefunden? In den Linien sind wahrscheinlich mehrere Bedeutungsebenen überlagert, da sie auch über Jahrhunderte hinweg von verschiedenen Generationen angelegt (und teilweise überschrieben) wurden. Erstens: Es gibt Linienbündel, die von einem zentralen Punkt aus zu Wasserquellen in der Wüste und umliegenden Bergen zeigen. Zweitens: Es gibt breite Rechtecke, die offenbar zeremoniellen Zwecken dienten. In ihnen wurden Versammlungen und Tänze veranstaltet. Drittens: Die Darstellung lokaler (Kondor, Spinne) und exotischer (Affe, Kolibri, Wal) Fauna als Ausdruck der Kunst oder Opfergabe für denjenigen oder diejenige, der oder die es von oben sehen kann. Viertens: Einige Linien haben astronomischen Charakter, so zum Beispiel zeigt eine Linie, die vom Affen abgeht, genau zum Sonnenuntergang zur Sommersonnenwende. Die Spinne wiederum passt haargenau zu der Konstellation eines Sternbilds des südlichen Himmels.
Die Stadt ist beschaulich und mit den Nasca-Geoglyphen von Kolibris, Affen, Kondoren dekoriert, mit einem großen Zentralplatz (plaza de armas). Wir besuchen ein Planetarium, in dem uns erst am echten Himmel das Kreuz des Südens mit Alpha Centauri und dann das gigantische Sternbild des Skorpions mit Antares gezeigt wird. Der Große Wagen, der in Europa immer zu sehen ist, taucht hier nur am Anfang der Nacht kurz über dem Horizont auf.
Weil das mit unserem Bus nicht ganz so geklappt hat wie geplant (für Fahrten mit mehr als 8 Stunden existieren hier ausschließlich Nachtbusse), können wir uns noch einen Tag mehr vertreiben. Wir spazieren vom Zentrum hinweg durch immer unwirtlichere Gegenden (🐕🙄) zu den antiken Aquädukten von Cantalloc. Und das, meine Damen und Herren, was ihr da hinten seht, ist die größte (oder zweitgrößte) Sanddüne der Welt. Auf die knapp 1000 m, auf denen wir uns hier befinden, packt die Düne nochmal 1176 m drauf. Ich bin froh, dass wir sie einfach nur bestaunen können. Hochklettern wäre auch reizvoll gewesen, aber das hatten wir immerhin schon vorgestern in Huacachina.
Von dem Hund im Berg steht nirgendwo etwas geschrieben. Vielleicht hat sich da auch nur jemand einen Scherz erlaubt, so wie wir es von den Japanern und der Katze vermuten.
Hier sind also diese spiralförmigen Aquädukte. Davon gibt es gleich ein Dutzend Stück nebeneinander. Wir haben den Zweck der spiralförmigen Kontruktion bis zuletzt nicht ganz verstanden. Es hat irgendwas mit Wasserleitung, Wasserentnahme und Druckausgleich zu tun. Das mit der Entnahme kann ich bestätigen, man kann gemütlich heruntertraben und ans Wasser herankommen.
Die Aquädukte sind etwas ab vom Schuss. Also müssen wir etwas warten, bis sich ein Taxi gnädig zeigt.
Normalerweise ist Check-In in unseren Unterkünften so bis spätestens Mittag. Heute aber sitzen wir auf unserer Dachterrasse bis spät in den Abend, weil unser Nachtbus erst um Mitternacht fährt. Dabei haben wir gar keine Lust auf einen Nachtbus.
Den letzten Akt in Nasca spielt dieser vorzügliche Gemüsereis (chaufa) in diesem Chinesisch-Peruanischen Restaurant (chifa). Mit dem im Magen lässt sich auch der Nachtbus ertragen.