Palenque - brüllender Dschungel
von Max
22. April - 25. April 2022
So sehr wie in unserem vorigen Stopp in Mérida haben wir uns noch nie angestellt, um unsere Planung voranzutreiben. Am Ende steht die Entscheidung: Wir fahren die 9 Stunden nach Palenque im diesmal teuren ADO-Bus (Alternatividee: die ganze Strecke zu trampen, haha) und buchen diese eine Unterkunft außerhalb der Stadt, irgendwo mitten im Wald. Mal schaun, wie das wird.
Wir ziehen in eine freundliche Hütte, die tatsächlich von 3 bis 5 Seiten von wucherndem Farn und Palm umstanden ist. Noch freundlicher begrüßen uns diese Strauchdiebe hier: Sereques, oder minimal vertrauter fürs europäische Ohr: Agoutis. Das sind Tiere, die sich nicht zwischen einer Existenz als Hasen oder Rehen entscheiden können. Zwar wild, aber anscheinend werden die hier bei uns angefüttert — ist unnatürlich, dass die einem alle zwei Minuten vor die Füße laufen. Außerdem gibt es hier Brüllaffen, die vor allem nachts ein wahnsinniges, ja, Gebrülle beginnen. Man sieht sie fast nie, aber man hört sie fast immer. Und Glühwürmchen! Alien-Glühwürmchen, die in der fortgeschrittenen Dämmerung mit zwei gelben Punkten pro Würmchen durch den Wald steuern.
Wir haben die Stadt Palenque einfach mal ausgelassen; was einen hier eher interessiert, ist die antike Maya-Stadt Palenque. Die drittgrößte Stadt der Maya. Zu so 2 Prozent freigelegt. Das war beeindruckend. Es gibt Karten, auf dem ein winziger Bereich freigerubbelt ist — nämlich das, was als archäologische Stätte zu besichtigen ist — der Rest ist und bleibt vielleicht für immer im Dschungel versunken. Aber natürlich hat man die krassesten Tempel zuerst freigekratzt. Wenn's Berlin wär, wären Fernsehturm, Dom und Reichstag umständlich freigelegt worden, der Rest läge im Urwald.
Diese netten Bilder von uns haben wir uns durch einen besonderen Trick erschlichen. Alle absurden Angebote für einen Touristenführer abgelehnt, bekommen wir dann, schon in der Stätte, ein Angebot von Julio, unser Guide zu sein: "Vale la pena!" (Ist den Schmerz wert), meint er. Das Angebot ist wirklich fair, Julio dazu junge 17 Jahre alt und im Ajax-Trikot unterwegs. Talja: "Weißt du auch was über die Ruinen?". Er weiß was, aber wo wir schon so gemütlich zu dritt unterwegs waren, hätten mich dann seine sozialen Hintergründe auch sehr interessiert. Auf alle etwas persönlichen Fragen sagt er "Si" und Daumen hoch.
Julio macht also ein paar Bilder von uns, zeigt uns zum Beispiel, wie Erich von Däniken aus einigen der Tempelfresken geschlussfolgert hat, dass die Maya ein Raumfahrervolk gewesen sein müssen, lässt die Gelegenheit nicht aus, uns halluzinogene Pilze anzubieten — und führt uns mal eben unter der Absperrung hindurch in den nicht-öffentlichen Dschungel-Teil der antiken Stätte. Wir hatten zwar davon gehört, dass man da Touren buchen kann, aber hatten nicht auf dem Zettel, dass das bei Julio mit im Paket ist. Hier kriech ich grad durch eine alte Maya-Tür, glaub ich.
Und die 20 Minuten Trekking durch den Urwald, durchsetzt mit Häusern und Mauern, ist das Highlight der Tour. Von der Legalität her wird das schon passen, denken wir — aufregend ist es hier viel mehr als im offiziellen, gemähten Teil! Der Baum auf dem Foto hier war wirklich eine Wucht. Nochmal ein Dank an unseren jungen Fotografen.
Man kann die archäologische Stätte auch als eines der mannigfaltigen Pakete (Transfer, Ruinen, Transfer, Wasserfälle, Transfer etc.) buchen. Ist teuer, und man hat immer nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung. Hier gehen wir nach unserer Tour mit Julio einfach nochmal zu den Ruinen und machen erstmal Mittagspause zwischen Tempeln von damals. Niemand, der auf uns wartet.
"Damals" etwas konkreter: Palenque wurde zwischen 100 v. Chr. und 900 n. Chr. erbaut, in der klassischen Periode der Maya, als es noch große Königreiche gab. Als die Spanier in Mesoamerika landeten, waren diese klassischen Mayabauten schon seit Jahrhunderten der Natur überlassen, da sich die Maya in der Postklassik ab 900 n. Chr. kleineren Gemeinschaften statt großen Tempelbauten zuwandten. Das hier war früher das Stadtbad. Schade, dass von den Abenteuerrutschen keine Spuren mehr zu sehen sind.
Wir verlassen Maya-Palenque durch einen anderen Weg als den Eingang. Dieser andere Weg stellt sich als Abenteuerpfad heraus, vorbei an einem kleinen Wasserfall, dem Stadtbad, den "Fledermaus-Häusern" (in denen wir dann in der Tat Fledermäuse hängen sehen) und dieser Brücke hier.
Unsere geführte Tour, zusammen mit dem Klettern durch den Urwald und den Abenteuerausgang, lassen diese archäologische Stätte zu unser bisher liebsten werden. Was allerdings wie immer das Bild bestimmt, sind unzählige Souvenirverkäufer, mitten auf den Wegen zwischen den Ruinen, bei denen wir uns immer freuen, wenn ein anderer Tourist etwas kauft. Wir überlegen sehr lange, wie sich dieser Verkauf lohnen kann, wenn es doch derart viele Verkäufer gibt, die größtenteils das gleiche Angebot haben. Wir hoffen einfach. Dabei sind es größtenteils eindrucksvolle Sachen: Holzstatuen von Jaguaren, Vögeln, Maya-Masken, Halsketten, Hutschmuck, usw. Aber keine Chance, wenn man sein Gepäck ein Jahr lang tragen will.
Die Maya waren nicht sparsam im Bauen von Städten, später Ruinen, jetzt Stätten. Ihr Siedlungsgebiet erstreckte sich nicht nur über Mexiko, sondern auch das heutige Belize, Guatemala, El Salvador und Honduras. Wie man sehen kann. Bemerkenswert ist vor allem der Raum um Palenque und Nord-Guatemala. Dort ist Urwald. Der Boden ist unfruchtbar. Keine guten Voraussetzungen für eine Hochkultur. Die Maya haben's trotzdem gemacht.
Ich geh hier in Palenque laufen. Es ist das bisher erste Mal, dass es dafür einen eigenen (Rad-)Weg gibt. Später mehr dazu. Jedenfalls finde ich dabei den Wildpark "Aluxes", den wir am nächsten Tag besuchen. In Mérida hatten wir schon einen Zoo, von dem wir keine Bilder zeigen müssen. Hier fühlt es sich wesentlich natürlicher an. Nicht alle Tiere sind hier so gehalten, wie es fair erscheint, aber viele Tiere sind aus privater Gefangenschaft befreit und sind teilweise unfähig, in freier Wildbahn zu leben. Dazu ist der ganze Park in den Urwald eingebettet, das ist sehr positiv. Wir sehen Jaguare, Riesenschildkröten, Adler, Otter und Spinnenaffen. Talja spendet diesen Manatis hier ein paar Stücken Gurke. Ich trau mich nicht, die Rüssel sind zu schlabberig.
Im ersten Becken haben wir uns die Augen wundgeschaut, um irgendwo unter Wasser ein Krokodil zu finden. Wahrscheinlich war das Gehege leer. Im zweiten Tümpel kommen wir dann auf unsere Kosten. Eigentlich müssen Krokodile ja auch an der Oberfläche sein, wenn sie nicht grade zum Tauchen die Luft anhalten. Sie werden grade nicht gefüttert und so liegen sie einfach die ganze Zeit nur in der Entengrütze rum und warten auf ein unvorsichtiges Jungtier.
Diese Guacamaya (oder Ara) werden hier im Park aufgezogen und sollen nach nun 70 Jahren wieder in der Region angesiedelt werden. Die Vögel sind extrem schmuck, aber irgendwie auch alle merkwürdig sediert. Zwar sind sie frei und könnten fliegen (wir haben nie einen fliegen gesehen), aber sie sitzen doch immer an den gleichen Stellen, sodass sie sogar dort zu finden sind, wo im Zooplan eingezeichnet. Na hoffentlich wird das was mit dem Leben in Freiheit.
Den Tag zuvor an den Ruinen hat das Klima Talja schwer zu schaffen gemacht, heute bin ich es, der kaum noch laufen kann, bevor nicht die nächste Speise eingenommen wird. Die Sonnenbrille kaschiert die Anstrengung, auf diesen Aussichtsturm hochgeklettert zu sein.
Schon sind wir wieder auf dem Weg zur nächsten Stadt. Wir wählen einen Bus, der netterweise noch an zwei Wasserfällen Station macht.
Der erste Wasserfall (cascada) trägt den Namen "Misol-Ha".
Der zweite Wasserfall nennt sich "Agua Azul" (blaues Wasser). Fällt nicht so hoch, wie "Misol-Ha", aber dafür auf ganz vielen, riesigen Plateaus. Man könnte einen ganzen Tag damit verbringen, alle Becken und Fälle und Dschungelinseln zu erforschen. Es ist aber leider nicht überall erlaubt. Man munkelt von starken Strömungen und Krokodilen.
Ein phänomenales Schmuckstück ist er schon, egal ob von oben oder unten. Hier bestelle ich 10 Empanadas für umgerechnet 2,50€. Wir genießen den Ausblick und planschen im Wasser, doch uns steht noch ein Weg nach San Cristóbal bevor...