Salento - Das grüne Kaffeeparadies
von Talja
28. Juni - 02. Juli 2022
Von Cali bringt uns ein Bus nach Armenia, der hektischen und dreckigen Großstadt im Herzen der Eje Cafetero, der Kaffeeachse bzw. Kaffeeregion im Westen Kolumbiens. Hier bleiben wir nicht - hier bleibt kaum ein Reisender lange - und nehmen bei strömendem Regen und anbrechender Dämmerung ein Colectivo nach Salento. Irgendwann biegt der Kleinbus auf einen Waldweg ein und wir sehen ein Schild mit "Achtung Gürteltiere". Ab da bleibt Max' und mein Blick hypervigilant auf das Gebüsch links und rechts vom Straßenrand gerichtet. Das Gürteltier hat heute aber leider keine Lust sich uns zu zeigen.
Hola Salento - wie schön du bist! Salento ist ein beschauliches Dörfchen, dass man in 15 Minuten einmal gekreuzt hat. Laut unserem Hostelbesitzer kommen hier auf 1500 Einheimische 8000 Touristen. Erscheint uns ein bisschen hoch geschätzt, doch wer weiß? Von Touristen wimmelt es hier an allen Ecken und Enden. Zurecht! Die bunten Häuschen und die Lage inmitten atemberaubender Naturidylle lassen das Abenteurerherz höher schlagen.
Wo viele Touris sind, sind meist auch Hipsterläden. Ein Exemplar siehe links. Wir müssen gestehen: Essenstechnisch sind uns solche Läden ganz recht. Hier zum Beispiel schmausern wir zweimal köstlichen Brownie.
Scheinbar haben in Salento nicht nur Menschen, sondern auch Tiere ein Faible dafür vor hübschen Häuserwänden zu posieren. Hier eine Gatse.
Und hier ein Huhn.
Auch der bunte Linseneintopf schmeckt super. Nur eine Frage stellt sich - muss das Topping wirklich Ketchup sein?
Ich bin ganz schön happy ob der Aussichten, die sich beim Spaziergang eröffnen.
So auch der Max. Hier auf der hosteleigenen Gartenschaukel. Wenn man nach rechts schaut, sieht man ...
... Kühe, die zufrieden vor sich hingrasen.
Nach links schauend, erstreckt sich Laub-, neben Bananenbaum, ein paar rote Dächer und sanfte Hügel. Hier gefällt es uns richtig gut! Neben dieser epischen Dachterasse bietet unser Hostel auch ein türkisches Dampfbad sowie Sport- und Massagestunden. Nehmen wir alles mit. Das Dampfbad wird erst erwärmt, wenn man drin sitzt. Wir frieren also eine Runde, bevor es langsam wärmer wird. Max schleppt sich die folgenden 2 Tage leider mit einer Erkältung herum. Es hilft wenig, dass es hier jeden Tag wie aus Eimern gießt und die Zimmertemperatur gleich der Umgebungstemperatur ist. Und die ist gar nicht warm. Eingehüllt in warme Decken und mit viel Tee, Ruhe und Paracetamol kriegen wir ihn wieder aufgepäppelt und können uns mit dem Sporttrainer Sylvain mobilisieren und bis kurz vor die Hyperventilation atmen.
Neuer Tag, neues Glück. Max fühlt sich fit genug, um eine kleine Wanderung zur nahegelegenen Kaffeefinca zu unternehmen. Kaffee mögen wir ja beide nicht, der Prozess drumherum interessiert mich aber schon. Max so mittel. Ein Schnappschuss am Wegesrand.
Pauken und Trompeten! Vielleicht liegt es an der wunderschönen Aussicht, vielleicht an der Qualität des Kaffees, oder an der Menge Milch und Zucker - aber der Kaffee schmeckt uns beinahe.
Nach einer gemütlichen Runde Kaffeetrinken geht es los und meine Namensvetterin Natalia (ist ein häufiger kolumbianischer Name) gibt uns die vielleicht unenthusiastischste Führung der Weltgeschichte. Die Frau ist ein Sarkasmusfass ohne Boden und ungefähr so liebevoll wie der Grinch.
Ich finds trotzdem total spannend. Und irgendwie ist ihre ruppige Art fast schon witzig. Wir durchlaufen den Prozess vom Samen bis zur Ernte und dürfen uns selbst im Pflücken üben. Nur die Roten! Eine Handvoll zu pflücken, macht Spaß, 100 - 200 kg am Tag, so wie die Erntehelfer das tun, wohl eher weniger. Obendrein gibt es gerade einmal 700 Pesos pro Kilo, d.h. 17,5 ct. Wenn der 10 Kilo-Korb, den die Pflücker um die Hüfte tragen, am steilen Hang umfällt, müssen sie von Neuem anfangen.
Man könnte meinen, es sei Kiwi. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Lulo-Pflanze! Die Lulo , auch unter Quitorange bekannt, wird im südamerikanischen Raum vor allem für die Herstellung von Saft verwendet. Dazu püriert man ihr Fruchtfleisch mit Wasser oder Milch und gibt Zucker hinzu. Wir haben einmal eine pur probiert. Schmeckt nicht schlecht, aber ziemlich sauer.
Wie schon Josi und Tom meinten, ist ein Besuch des Valle de Cocora, des Wachspalmentals, wenn man in der Kaffeeregion zugegen ist, fast schon ein Muss. Schließlich finden sich hier mit bis zu 60 Metern die höchsten Palmen der Welt! Die Quindio-Wachspalme wurde von Alexander von Humboldt 1801 entdeckt und heißt so, weil sie in der Region Quindio heimisch ist und weil ihre Rinde von einer dicken Wachsschicht überzogen ist.
Mateusz, den wir am Vortag kennengelernt haben, Max und ich machen uns um 9 Uhr mit einem Willy (so heißen hier die robusten Geländejeeps) vom Marktplatz Salentos auf den Weg ins 20 Fahrminuten entfernte Valle de Cocora. Ich teile mir den vorderen Beifahrersitz mit einer Frau, die Pferdetouren durch das Wachspalmental anbietet. Es ist so eng, dass mein linkes Bein regelmäßig gegen die Gangschaltung stößt. Mateusz und Max genießen ein Fahrerlebnis der besonderen Art. Sie stehen an der Rückseite des Jeeps auf der Laderampe, halten sich oben an einer Stange fest und lassen sich den Fahrtwind durch die Haare pusten. Da sind wir! Ein Einheimischer sagt: "Ihr müsst unbedingt ein Selfie mit einer Palme machen!" Machen wir.
"Was soll das eigentlich sein?" frage ich mich im Nachhinein. Ich glaube, so eine Art Schlafgondel in den Palmenkronen. Auf jeden Fall ein beliebter Fotospot, den auch wir uns nicht entgehen lassen.
So beginnen wir unsere Rundwanderung von circa 6 Stunden und steigen hinauf in immer nebliger werdende Höhen. Die Sonne verschwindet langsam, die Landschaft verändert sich, es wird magisch.
An der Spitze angekommen erheben sich die Bergspitzen aus dem Nebel, orangefarbene Fackellilien entsprießen dem Erdboden und locken von Zeit zu Zeit einen Kolibri an. Leider sind die kleinen Racker so schnell, dass wir kein vernünftiges Foto schießen. Der Anblick dieser Nebellandschaft ist mein persönliches Highlight dieser Wanderung.
Wir steigen hier auf eine Höhe von 2904 Metern und gönnen uns die verdiente Pause.
Wenn ihr Max fragen würdet, was sein Wanderhighlight war, dann ist das sicher der Rückweg, der einem Abenteuerspielplatz gleichkommt. Wir überqueren Bäche. Mateusz hat Wandersandalen an und kann unbehelligt durchs Wasser laufen. Wir hingegen hüpfen von Stein zu Stein, um unseren Wanderschuhen den Wassertod zu ersparen.
Wir überqueren Hängebrücken. Tom hat ja schon angemerkt, dass deren Konstruktion aus bauingenieurstechnischer Sicht dezent fragwürdig ist.
Wir überqueren Schlammgrund.
Und noch mehr Schlamm!
Wurden hier Schnecken an die Pflanze geklebt? Nein, das gehört scheinbar so.
Wir stiefeln auf dem Rückweg noch einen Kilometer aufwärts, um einer Kolibrifarm einen Besuch abzustatten. Wenigstens hier kann man ein Foto schießen, während die Kolibris sich am Zuckersirup verköstigen. Ein Heißgetränk mit sehr salzigem Hirtenkäse als Beigabe gibt es auch.
Das hat Spaß gemacht! Nach 6 Stunden Wanderung sind wir ausgehungert und gönnen uns frische Trucha (Forelle) im Fischrestaurant am Fuße des Berges. Rückzu stehen wir alle drei an der Rückseite des Jeeps. Noch nicht mal der aufkommende Regen kann uns Abenteurern was anhaben.