Cañón de Colca - Kein Aufstieg ohne Abstieg
von Max
27. Juli - 28. Juli 2022
Der Colca-Canyon. Ist es nun der zweittiefste Canyon der Welt oder ist es nur ein sehr tiefes Flusstal? Egal, wir gehen rein. Zweimal verschieben wir den Start der Tour nach hinten. Dann, als wir beide gesund sind, gibt es keinen Grund mehr, zu warten. Die Nacht vor der Tour ist merkwürdig. Es ist kein Platz mehr im Hostel, ich muss mit dem Hostel-Freiwilligen in der Gartenlaube schlafen. Die Nacht ist voller Gedanken an Freunde, an Musik, an das Bevorstehende. Ab 3 Uhr nachts wird die Schlaftrunkenheit im Bus Richtung Canyon fortgesetzt. Ich höre Gewässer-Musik und "Toy Soldiers" und kann nicht mehr schlafen, weil ich den Sonnenaufgang erwarte.
Da ist die Sonne! Nach mehr als 5 Stunden Fahrt kommen wir an unserem ersten Aussichtspunkt an. Schon die Inka haben die Hänge hier terrassiert.
Am zweiten Aussichtspunkt sehen wir dieses Mädchen mit ihrem Baby-Alpaka.
Cruz del Condor heißt dieser Aussichtspunkt. Wer die Andenkondoren hier noch nicht gesehen hat...
... kann hier nochmal die Brillengläser schleifen. Wie man sieht, ist der Andenkondor einer der größten Vögel der Welt. Die Biester bringen bis zu 15 Kilogramm auf die Waage und haben eine Flügelspannweite von bis zu 320 cm, die nur der (jedoch wesentlich dünnere) Wanderalbatros übertreffen kann. Leider ist der Andenkondor vor allem im Kopfbereich relativ hässlich.
Wir lassen uns von jemandem ein Bild vor dem fabelhaften Hintergrund schießen. Dann frage ich die Fotografin, ob sie nicht eventuell aus Dresden kommt.
Glück gehabt, ich hatte Recht. Hier mitten in Peru treffen wir die Freundin eines ehemaligen Kommilitonen von mir und gleichzeitig die ehemaligen Mitbewohnerinnen eines von Taljas Klassenkameraden. Wir kannten uns vorher nicht, aber irgendwas in meinem Gehirn hat "Dresden" gerufen.
Knapp 8 Stunden nach dem Aufstehen sind wir in Gruppen von 10 Leuten eingeteilt und starten unseren Trek. Auch wenn es bisher nicht so aussah, wir haben keine Bustour gebucht, sondern einen Wanderausflug.
Diese Füße hier müssen uns die 1200 Meter da runter bis in den Flussgrund tragen. Am Ende werden aber mehr die Knie wehtun als die Füße.
Wohlfühloase Canyon.
Nach 7 von 14 Kilometern und nach der Überquerung des Rio Colca im Talgrund dürfen wir uns zur Speisung setzen. Unsere illustre Gruppe schlägt zu. Von links nach rechts: Alex und Markus (AUT), Virginia (IT), Pierre Chardonnay (FR), Nils (DE), Cindy (FR), Linda (DE/AUT), Amisha (US/CA) und wir halt. Nach der Vorsuppe gibt es übrigens Soja-Geschnetzeltes. Super, hatten wir hier noch gar nicht! Beim nächsten Mal bitte mehr Soja als Zwiebeln reintun!
Dann sind wir auf der anderen Seite angekommen und können bestaunen, wo wir noch heute vormittag langmäandert sind.
Jeder hat so seine Mühen bei dieser Wanderung. Aber anders als das Bild suggeriert, halten wir uns recht gut. Am Ende sind wir eine Gruppe und nur so schnell wie der langsamste Wanderer (mit Jeans und Turnschuhen). Das andere Ende der Skala bilden die beiden Franzosen, die gerne auf Berge steigen. Und damit meine ich: nur zu zweit, ohne geführte Tour, mit Eispickeln und Seilen und Zelten (30 Kilogramm Gewicht). Mount Blanc (4808 m)? Klar. Chachani (6057 m)? Auch. Himalaya? Demnächst. Uns fällt ganz schön die Kinnlade runter.
Könnten eigentlich den ganzen Tag so weiterwandern.
In Mexiko hatten wir es schon gelernt, jetzt können wir unser Wissen anwenden. Das heißt in dem Fall: Die Cochinilla-Schildlaus vom Kaktus pflücken, zerdrücken und mit karminroten Händen dastehen.
Dann stehen wir wieder an einem Aussichtspunkt, sehen unter uns die Oase für diese Nacht und darüber im Zick-Zack, ja, den Weg für morgen früh.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Sangalle bzw. Die Oase. Solange uns noch vom Wandern warm ist, springen wir in den Pool. Einige Duschen sind kalt. Das ist besonders gemein, da unsere heiß ist. Dann ist es dunkel und es gibt keinen Strom. Da bleibt nicht viel übrig, als ins Bett zu gehen. Ist auch besser, denn ...
... das Aufstehen ist relativ früh angesetzt. 4:45 Uhr treffen wir uns und marschieren in die Dunkelheit hinein. Das Rosa erscheint erst eine knappe Stunde später. Wohl dem, der eine Kopflampe mitgebracht hat. Wir starten auf 2.203 m.
Und das ist die Ziellinie, die Bäume, die zweieinhalb Stunden lang stets höhnisch weit weg erscheinen. Wir erreichen die Bäume in dem Moment, in dem uns auch die ersten Sonnenstrahlen erreichen.
Ah, ein Detail hatte ich bisher unterschlagen. Talja hat sich wegen ihres chronisch schmerzenden Knies, das den Abstieg gestern nicht gut überstanden hat, für eine andere Form des Aufstiegs entschieden - auf einem Maultier. Die Maultierkarawane startet 45 Minuten später als wir Wanderer, und wir erreichen gleichzeitig und zusammen mit den Sonnenstrahlen den höchsten Punkt. Da gehörte viel Vertrauen dazu: Wenn sich das Muli am Abhang vertritt, sieht man den Talboden schnell wieder. Aber diese Tiere vertreten sich einfach nie. Wenn ich mir das Tier so ansehe, sieht es gleichzeitig ermüdet und hochzufrieden aus.
1025 m höher sehen wir uns also wieder. Es ist Punkt 8 Uhr. Normalerweise hat man um die Uhrzeit noch keinen Kilometer an Höhe unter sich gebracht, das macht auf jeden Fall gute Laune.
Unsere halbe Gruppe, oben angekommen an der Kante des Canyons.
Während wir oben auf die Nachzügler warten, rauchen die ersten erstmal eine.
Im Anschluss an das verdiente Frühstück verabschieden wir Ismael, unseren Guide. Er muss zur nächsten Gruppe - und gleich nochmal in den Canyon hinabsteigen und morgen wieder die 1025 m nach oben. Da fällt uns auch nicht viel zu ein. Wir verbringen anschließend eine Stunde in heißen Vulkanquellen und fahren dann auf 4900 m zu diesem vegetationslosen Vulkanpanorama. Zwei Faktoren lassen uns es nicht ganz so genießen, wie es angebracht wäre: Der Höhen- (oder Erschöpfungs-) Kopfschmerz. Und die Kälte!
Wir fahren hinab in flache 3000 m - 4000 m. Das ist die Zone, in der sich die Kameloiden wohlfühlen. Wir machen einen Stopp an dieser Herde von Lamas und Alpakas. Man könnte meinen, Talja hätte das Alpaka hier gerade zum Duell herausgefordert. Aber nein, es war das Alpaka. Die ursprünglichen wahren mystischen, legendären Tiere der Hochländer sehen wir nur aus unserer Fensterscheibe: Vicuñas. Dann kommen wir zurück nach Arequipa und laufen als neu gefundene Gruppe mit unseren Wanderkameraden zurück zum Hostel. Wir stellen fest: Es ist schön, wenn man die Abenteuer auch mit Anderen teilen kann.